So saß ich, ganz versunken in Gedanken,
als Tante Vera raschen Schrittes nahte.
„Na, Hubi, komm ein bisschen mit zum Spielen!“
Verdattert blickt' ich Vera in die Augen.
Hier kam man überhaupt nicht zum Sinnieren!

Nun gut, ein Spielverderber war ich nie.
Ich kroch – noch konnte ich nicht laufen – los.
Da war er wieder: dieser schlaue Jonas,
der alles besser konnte als die andern:
viel länger stehen auf den krummen Beinen.

Sein Krabbeltempo: höher stets als meines.
Schon ging es wieder los mit seiner Schau:
Im Affentempo flitzte er vorüber;
sein Grinsen: frech und widerwärtig höhnisch,
für mich in dieser Form kaum zu ertragen!

Am liebsten ginge ich ihm an den Kragen!
Ich hielt 'ne Plastikschaufel just in Händen,
und als er wieder dreist mich überholte,
zog kurzerhand ich die ihm übern Döz.
Der Frust fiel augenblicklich ab von mir.

Das Weichei brüllte los – zum Gotterbarmen
und spielte wieder mal den Kleinen, Armen.
Ich stutzte kurz; doch fing mich schnellstens wieder.
Bin doch nicht dumm! Wozu hab ich die Gene,
die ich ererbt von Großpapa und Vater!

Schnell stimmt' ich ein in Jonas' Mordsgezeter,
die Unterlippe ließ ich leis vibrieren,
mein rechter Zeigefinger wies auf Jonas,
der immer noch aus Leibeskräften heulte,
dass sich vor Schreck sein Spielzeugauto beulte.

Das zeigte Wirkung! Tante Vera eilte
mit flinken Schritten auf uns beide zu,
sah Jonas: rot und rotznass feucht die Wangen,
doch ohne Chance bei Vera, die nur meine
verweinten himmelblauen Augen wahrnahm.

Der Jonas hörte nur von ihr Gemecker,
doch mich nahm tröstend sie in ihre Arme.
Ich mochte Tante Vera, diese Warme,
sie konnte immer so behutsam trösten.
Vor Jonas' Mätzchen hatt' ich heute Ruhe!

© 2007 by Renate Golpon